Meine Motivation |
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Nach der
Wende mussten wir unser Leben neu orientieren. Meine Frau musste als
Verwaltungsleiterin ihre Einrichtung, den Medizinischen Dienst des
Verkehrswesens in Magdeburg, abwickeln, da es eine derartige
Einrichtung in den alten Bundesländern nicht gab. Sie war nach
dem neu berufenen Amtsleiter die zweite Mitarbeiterin im Sozialamt in
Magdeburg und hat mit ihren Erfahrungen und ihrer Qualifikation –
sie war diplomierte Betriebswirtin für das Gesundheits- und
Sozialwesen - einen großen Anteil beim Aufbau des Sozialamtes
in Magdeburg geleistet.
Ich bin diplomierter Mathematiker und promovierter Ingenieur. Als ich 1968 mein Diplom als Mathematiker mit der Spezialisierung auf Rechentechnik und Datenverarbeitung abgelegt habe, gab es das Berufsbild des Informatikers noch nicht! Da ich mit meiner Arbeitshaltung und meinem Denken erhebliche Probleme in der Universität Magdeburg hatte, habe ich mit Unterstützung von Kollegen der Ruhr-Universität Bochum, bei meinem ersten NSW-Aufenthalt 1990 die ersten Schritte für die Gründung unserer Firma ICS Dr. G. Roscher GmbH getan. Diese Gründung wurde durch das BMWF, durch meinen ehemaligen Direktor der Physiologie in der Uni Magdeburg, Prof. Dr. med. Axel Brattström, die VITA-Wirtschaftsberatung und viele andere Partner aktiv unterstützt. Da die technologieorientierte Unternehmungsgründung durch das BMBF bewilligt wurde, konnten wir ca. 1 Mio. DM in die Entwicklung unserer Firma stecken.
Da diese Entwicklung für uns beide so erfolgreich war, haben wir Angebote aus den alten Bundesländern (Professur, Sozialamt, ..) nicht angenommen. Wir wollten hier in Magdeburg etwas Neues aufbauen. Mit dem Hausbau in Klein Ammensleben, in dem wir auch die Firma untergebracht haben, haben wir unser Paradies, unsere „blühende Landschaft“ gestaltet.
Bereits zu Weihnachten 2002 begann meine Frau fürchterlich zu husten. Erst Mitte Januar 2003 habe ich sie überreden können, zum Arzt zu gehen. Leider war nur eine Vertretung unserer Hausärztin im Dienst. Meine Frau hat fürchterlich geschimpft. „Sie hat mich nicht untersucht! Nur ein paar Tabletten verschrieben, nach dem Motto: 'ein Beamter, der nur ein paar zusätzliche Urlaubstage haben wollte'“. Der Husten nahm zu. Erst im Juni ist es mir wieder gelungen, meine Frau zum Arztbesuch zu überreden. Die Hausärztin hat sie genauer untersucht und zu weiteren Untersuchungen überwiesen. Ende August ist meine Frau dann in der Spezialklinik in Lostau gewesen. Die Ärzte konnten nichts feststellen. Sie wollten meine Frau operieren um während der Operation die Ursachen zu ergründen. Ich habe von diesem Eingriff abgeraten und die Anwendung bildgebender Verfahren empfohlen.
Bei der nachfolgenden CT-Untersuchung wurde Brustkrebs diagnostiziert!
Aus heutiger Sicht: Leider zu spät. Total-Amputation gefolgt von 7 Chemotherapien brachten keinen Erfolg. Ich habe versucht, mit den behandelnden Ärzten in der Landesfrauenklinik in Magdeburg darüber zu sprechen, dass Krebsentstehung und Krebstherapie durch Informationsprozesse getragen werden. Sie haben Nichts verstanden. Ich habe meine Frau die ganze Zeit begleitet und gepflegt. Das war nur möglich, weil ich die Firma gegen Null gefahren habe und mir besonders die Hausärztin und ihre Schwestern aber auch Nachbarn und Freunde zur Seite gestanden haben. Ende 2009 wurde ich informiert, dass meine Frau „austherapiert“ sei. 2010 ist meine Frau in meinen Armen verstorben!
Und ich mit ihr!
Welchen Sinn hatte mein Leben noch?
Erst schrittweise habe ich ins Leben zurückgefunden. Der Gedanke, dass ich in meinem Paradies lebe, in dem ich meinen „Traum von Wissenschaft, Arbeit und Frieden“ realisiert habe, viele intensive sportliche Aktivitäten und Bekannte, Nachbarn und Freunde haben mich wieder in Leben zurückgeholt. Und ich habe wieder eine neue Frau gefunden, die mich unterstützt. Es ist ein schönes Gefühl, morgens aufzuwachen und man ist nicht mehr allein!
Als ich meinen Freund mit meiner neuen Partnerin im Oktober 2015 in Hatzum besucht habe und seine Problem erkennen musste, bin ich mit ihm zum Arzt nach Ditzum gefahren. Mein Freund wurde im Vorzimmer recht harsch empfangen. Als ich mich als Dr. Roscher und Freund vorstellte, änderte sich das Verhalten schlagartig. Ich nenne so etwas „scheiß-freundlich“. Ich bin auch mit ins Behandlungszimmer gegangen. Der Arzt war sehr nett und hat mich in ein Gespräch verwickelt. Erst als ich im sagte, dass ich Informatiker sei, entspannte sich sein Verhalten. Er betonte, dass ich kein „Kollege“ sei und war offensichtlich sehr erfreut darüber!
Im Herbst 2016 erfuhr ich bei einem Telefongespräch, dass die Partnerin meines Freundes, die an Krebs erkrankt war, „austherapiert“ einfach nach Hause geschickt worden war. Ich kannte das Verhalten dieser Praxis in Ditzum, hatte noch die Telefon-Nummer und habe dort angerufen. Ich habe mich über eine derartige Vorgehensweise beschwert und gebeten, dass sich der Arzt und die Schwestern verstärkt um meinen Freund und seine Partnerin kümmern sollten. Kurze Zeit später informierte mich mein Freund, dass seine Partnerin in die Palliativstation in Leer eingeliefert worden sei. Im Dezember haben wir sie dort besucht. Es ging ihr den Umständen entsprechend gut. Die Frauen der Station haben sich sehr liebevoll um sie gekümmert. Sie ist Ende 2016 in Leer verstorben.
Wer hat sich anschließend um meinen Freund gekümmert, der allein und sehr krank in seinem Haus in Hatzum wohnte?
Was ist dort los im Rheiderland?
Da ich mitfühlen konnte, wie sich mein Freund fühlt, habe ich versucht, ihn zu unterstützen.
Eine Frau zu finden, die sich um ihn kümmert, war nicht möglich.
So kam ich auf die Idee mit der Gründung eines Start-ups in seinem Haus. Als erstes wollte ich einen „Innovationsassistenten“ einstellen, der im Haus wohnt und das in meiner Firma vorhandene know-how zur Anwendung bringen, um bereits kurzfristig mit „Bordmitteln“ eine Unterstützung zu leisten.
Seit 1969, als ich von der Wema meine Neubauwohnung in Magdeburg bekommen habe, mache ich jeden Morgen Frühsport und andere sportliche Tätigkeiten an der frischen Luft. Das habe ich auch bei meinem Aufenthalt in Hatzum am 8. bis 10. November bei meinem Freund getan. Ich habe meinen Frühsport gemacht und bin gelaufen. Durch das kleine Dorf, den Deich zur Ems hoch und wieder zurück durchs Dorf. Ich habe keinen Menschen getroffen! Kein freundliches „Hallo“.
Es war gespenstisch!
Während meiner ganzen Anwesenheit im Haus meines Freundes ist außer den Betreuerinnen von der Diakonie niemand vorbeigekommen. Kein Nachbar, kein Nichts. Ich habe die Betreuerinnen mehrfach gebeten, den Kontakt zu ihrer Chefin herzustellen, um mit ihr über mögliche Verbesserungen der Betreuung zu sprechen. Nichts! Obwohl ich sicher kaum zu übersehen bin und mein Auto die ganze Zeit vor dem Haus stand, hat sich niemand gemeldet!